Die Welt der Stoffe ist groß und bunt. Traditionelle Muster, Webarten und Färbetechniken aus Indien, Laos, dem Himalayagebiet, Indonesien und Marokko finden bei uns ihren Weg zurück ins Bewusstsein und bereichern das moderne Leben mit ihrer unvergleichlichen Ausstrahlung und einzigartigen Qualität.

Das Paisley-Muster und seine Geschichte

Das alte Persien ist das Ursprungsland des klassischen, allzeit beliebten Paisley-Musters. Dort ist es unter der Bezeichnung Boteh, Butha oder Bota bekannt. Die eigentliche Herkunft und Bedeutung des tropfenförmigen Motivs ist nicht eindeutig geklärt. Es könnte die Abbildung eines Palmblattes, einer (Samen)Knospe oder einer Mandel und somit ein althergebrachtes Fruchtbarkeitssymbol sein. Manche Menschen glauben im Paisley-Muster ein Auge zu erkennen, ein Symbol, das in vielen Kulturen als Schutzzeichen gegen den ‚bösen Blick‘ bzw. gegen Verhexung verbreitet ist. Zum Feuerkult der aus Persien stammenden Zoroastrier passend, könnte es sich bei dem elongierten Ornament um eine züngelnde Flamme handeln. Oder vielleicht doch um einen Zweig der, den Zoroastriern so wichtigen Zypresse, ein Emblem für das Leben und die Ewigkeit.

Von Persien aus gelangte das Muster nach Indien, wo es wiederum als eine Stilisierung der Mangofrucht gesehen wird. In Indien verbreitete sich das Muster so rasch, dass es bald nicht nur auf Stoffen und Schultertüchern zu sehen war, sondern auch Gebrauchskeramik und ganze Hauswände wurden damit verziert. Neben anderen traditionellen Ornamenten ziert auch das Mangomuster die Hände und Füße indischer Bräute. Das Muster wird vor der Heiratszeremonie als Mehendi (Körperbemalung mit Hennapaste) aufgetragen und hat eine schützende und Glück verheißende Funktion.

Im früheren Fürstenstaat Kaschmir wurden die meisten hochwertigen Paisleytücher in Cashmere oder Seide gewebt. Indische Maharajas und Maharanis schmückten sich gern mit dem ornamentreichen Geschmeide und waren Trendsetter für den Kleidungsstil britischer Kolonialbeamtengattinnen. Die Begeisterung der feinen englischen Damen für das orientalische Motiv führte zur Ankurbelung der Produktion. Die Britische Ostindien-Handelskompanie begann alsbald im großen Stil mit dem Export indischer Stoffe nach Europa, wo die florale Ornamentik rasch unzählige Liebhaber fand. Im Baltikum erfüllte das Paisley-Muster seine Funktion zur Geisterabwehr und im Schottland wurde es von Lord Hay sogar in den Tartan seines Clans integriert. Eine steigende Nachfrage und gleichzeitige Verknappung durch Handelsstreitigkeiten und Importverbote führte rasch zu europäischen Imitaten. Neben Orten in Wales entwickelte sich die schottische Kleinstadt PAISLEY im 18. Jahrhundert zu einem wichtigen Zentrum der Textilerzeugung. Von da aus wurden die luxuriösen Stoffe und Tücher mit dem orientalischen Muster in viele europäische Länder exportiert und waren fortan unter der Bezeichnung Paisley-Stoffe in aller Munde. Die Industrielle Revolution machte aus dem kleinen Ort eine wichtige Industriestadt.

“One should either be a work of art or wear a work of art,” sagte der exzentrische Oscar Wilde, der es liebte, in einem Abendanzug aus feinstem Tuch mit Paisleymuster und dazu passender Seidenkrawatte, dem Müßiggang zu frönen.

Im 19. Jahrhundert, dem viktorianischen Zeitalter, gab es einen regen Handel zwischen England und Indien. Das Paisley-Muster fand seine Anhängerschaft in der britischen Boheme, unter den Künstlern und Schöngeistern. Seine Beliebtheit spiegelt im weiteren Kontext die Faszination der Menschen am Orient und den Dialog zwischen Ost und West wieder.

Die Künstler der Arts and Craft-Bewegung, allen voran der Maler, Architekt und Dichter William Morris, nahmen das Paisley-Design in ihre Entwürfe von textilem Interieur auf. William Holman Hunt porträtierte u.a. seine Frau, gehüllt in eine prächtige Kaschmirstola, die das markante Muster aufweist. Auch die Künstler der Prä-Raphaeliten-Gruppe sowie der Art Nouveau-Bewegung liebten es, Gewebe und Kleidungsstücke mit Paisley-Muster in ihren Gemälden unterzubringen.

Es war die Pop-Kultur in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts, die den nächsten Paisley-Hype schuf. In ihrer Rishikesh-Phase waren die Beatles so Paisley-verliebt, dass John Lennon sogar seinen Rolls Royce mit dem Muster bemalen ließ. Für die ausgeflippt-bunte Hippie- Bewegung mit ihren psychedelischen Träumen war Paisley in seinen knalligsten Farbäußerungen das Markenzeichen schlechthin. In den 80ern nannte der farbverliebte Sänger Prince seine Plattenlabel Paisley Park und produzierte in den Paisley Park Studios. Andere Rockgrößen wie Janis Joplin, David Bowie, Bobby Gillespie, Mick Jagger und Liam Gallagher, der u.a. auch ein Modelabel gründete, das auf dem orientalischen Muster aufbaute, waren ebenfalls große Fans des prächtigen Musters.

In der Welt der Haute Couture sind es alle großen Modehäuser, die mit dem althergebrachten Muster spielen. Das italienische Label Etro bedient sich seit den frühen 70er Jahren höchst erfolgreich des geistigen Eigentums der orientalischen Kultur und hat Paisley genauso vereinnahmt wie das britische Traditionsunternehmen Liberty. Die Popularität des Paisley-Prints bleibt ungebrochen, denn nach wie vor können sich Käuferschichten aller sozialen Klassen, Altersgruppen und Nationalitäten daran begeistern.

Dementsprechend sorgt der exotische Ursprung des Paisley Musters über die Jahrhunderte hinweg für eine Aura von Exklusivität, Eleganz, Mystik, Exzentrik und Verrücktheit.